DBU-Forschung

Alnatura 360 Campus

Durch konzeptionelles ganzheitliches Entwickeln von Bauvorhaben in interdisziplinären Planungsteams entstehen heute zukunftsfähige Gebäude, die mit einem minimalen Aufwand an Energie dem Nutzer ein optimales Raumklima bieten. In den letzten Jahrzenten hat die Forschung im Bausektor den Schwerpunkt auf die Senkung des Energiebedarfs im Gebäudebetrieb gesetzt. Dadurch sind Gebäude entstanden, die zwar einen sehr geringen Energiebedarf im Betrieb haben (z.B. Passivhäuser), der energetische Aufwand zur Errichtung jedoch nicht thematisiert, berechnet oder in die Konzeption integriert wurde. Diese Herangehensweise führt zu einem Modell, das partiell zunehmend mehr Anlagentechnik und Material im Gebäude verlangt. In diesem Kontext wurde der energetische Aufwand für die Erstellung des Gebäudes und dessen Bestandteile nur nachträglich bewertet, erst nach Abschluss der Planungsprozesses. Dadurch konnte diese entscheidende Komponente die Planung nicht mehr beeinflussen.

Das Konzept der «Grauen Energie», d.h. die Kalkulation der Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes benötigt wird, sowie die Betrachtung von Lebenszyklen einzelner Gebäudebestandteile gewinnen erst seit einiger Zeit an Bedeutung. Im Forschungsprojekt“ Entwicklung von Strategien zur Implementierung des grauen Energieaufwands in den iterativen intergierten Entwurfsprozess von Gebäuden am Beispiel der Firmenzentrale „Alnatura-Welt” in Darmstadt“ wurden Strategien evaluiert, um den Anteil der für das Gebäude notwendiger grauer Energie zu minimieren.

Als freier Wissenschaftler habe ich im DBU-Forschungsprojekt Az 32312/01-25 für die RWTH-Aachen, Lehrstuhl für rezykliergerechtes Bauen, und in Kooperation mit der TU Darmstadt, Lehrstuhl für Fassadentechnik, und der TU München, Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen, ganzheitliche Ökobilanzierungen und Lebenzyklusanalysen von der Herstellung über den Rückbau bis hin zu der Eruierung von Recyclingpotentialen von 24 Bauteilvarianten und 9 Konstruktionsprinzipien erstellt.

DBU-Forschung

Woodscraper

Die Welt steht heute vor immensen Herausforderungen. Sie muss Antworten auf ent-scheidende Fragen des 21. Jahrhunderts entwickeln: Dazu gehören 1. Ressourcen-verknappung, 2. Erderwärmung und 3. Bevölkerungswachstum mit einhergehender Urbanisierung. Der Bauindustrie wird dabei eine besondere Verantwortung zuteil, denn sie trägt den größten Anteil am Ressourcen- und Energieverbrauch:
1.   Etwa 60% des globalen Müllaufkommens stammen aus der Bauindustrie.
2. 50% der europäischen CO2 Emissionen gehen auf das Konto der Immobilen-bewirtschaftung.
3.  Steigt die Weltbevölkerung in den nächsten 30 Jahren um ca. 3 Mrd. Menschen an.
Diesen Tatsachen können wir nur begegnen wenn Baustoffe als Antwort auf Ressourcen-verknappung so konzipiert werden, dass die eingesetzten Stoffe sortenrein in Form von „Ressourcenlagern“ einer notwendigen Kreislaufwirtschaft zugeführt werden können und der Anteil nachwachsender Rohstoffe dabei signifikant erhöht wird, um klimaschädliches CO2 einzulagern. Als Beitrag gegen die Erderwärmung muss die Bauindustrie Energie für den Gebäudebetrieb, als auch für die Gebäudeerrichtung weitestgehend regenerativ erzeugen und speichern (Sonne, Wind, Wasser, Geothermie, Biomasse, etc.). Das Bevölkerungs-wachstum und Urbanisierung muss mit einer verdichteten Bebauung für kompakte Lebensräume beantwortet werden, damit der Flächenverbrauch nicht weiter zunimmt. Die vorab genannten Kriterien müssen sich dabei integrieren lassen.
Die geplanten Holzhybridhochhäuser liefern bauliche Antworten auf die benannten Heraus-forderungen, da wir heute technologisch durchaus in der Lage sind Gebäude zu planen und zu betreiben, die diesen Anforderungen gerecht werden. Dies ist in der Regel auch kosteneffizient und wirtschaftlich möglich. Die Implementierung solcher „neuer“ Gebäude-konzepte scheitert in der Praxis jedoch meist an zwei wesentlichen Tatsachen:
1. Seit der Industrialisierung hat sich eine ausdifferenzierte Bauindustrie mit Pfad-abhängigkeiten entwickelt die - gegründet auf dem fossilen Zeitalter - das integrieren von neuen Baustoffen mit anderen Produktions- und Montagemöglichkeiten im Rahmen von langwierigen Normungsprozessen erschweren.
2. Die Betrachtung der Gebäudekosten beschränkt sich meist auf die Mehr- bzw. Minder-kosten einzelner Bauteile. Eine tatsächliche Wirtschaftlichkeit lässt sich jedoch nur über eine ganzheitliche Betrachtung im komplexen Zusammenspiel aus Konstruktion (KG300), Gebäudetechnik (KG400), Bauablauf und Betriebskosten verstehen.
Am Beispiel der Woodscraper in Wolfsburg wurde modellhaft eine Strategie mit erprobten Baupraktiken zur wirtschaftlichen Errichtung von ressourcenpositiven Gebäuden für hoch-verdichteten Wohnraum entwickelt. Unter ganzheitlicher Betrachtung wurden Einsparpotenziale einzelner Bauteile durch Methoden der Wirtschaftlichkeits- und Lebens-zyklusbetrachtungen Gesamtwirtschaftlich untersucht und bewertet. Ein frühzeitiges Einbinden aller Projektbeteiligter in einem iterativen Planungsprozess stellt bei der ganz-heitlichen Betrachtung die Detailschärfe sicher.
Die Innovation dieses Vorhabens liegt in dem Nachweis für Investoren und Wohnungs-baugesellschaften ressourcenpositive Gebäude kostenneutral und wirtschaftlich errichten zu können, damit sich die Hürden einer solchen Bauweise in Zukunft verringern lassen.

Als Kooperationspartner des DBU-Forschungsprojektes Az 34252/01-25 haben Prof. Manfred Lux und Max Ernst, M.A., des Lehrgebiets Baukonstruktion und Baustoffe der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, ganzheitliche Ökobilanzierungen und Lebenszyklen der Holzhochhäuser in unterschiedlichen Varianten erarbeitet und eruiert.

Recycling-Potential von Massivbauten des deutschen Gebäudebestands zur Herstellung gleichwertiger Sekundärbaustoffe


Um die Ressourceneffizienz in Deutschland weiter zu steigern müssen nicht nur effizientere Abbau-, Veredlungs- und Produktionsverfahren entwickelt werden, sondern auch die schon zu Baumaterialien veredelten Rohstoffe in möglichst geschlossenen Kreisläufen hoher Güte gehalten werden.

Die Errichtung, Nutzung und Bewirtschaftung von Gebäuden und baulichen Anlagen sind für etwa die Hälfte der Energie- und Materialflüsse sowie für ungefähr 1/3 des Wasserverbrauchs in der EU verantwortlich (Europäische Kommission, 2014). Gleichzeitig machen Bau- und Abbruchabfälle etwa 1/3 des gesamten Abfallaufkommens in der EU aus (BIO Intelligence Service 2011).   

„Im Bausektor werden mengenmäßig die größten Anteile der in ProgRess genannten Ressourcen genutzt bzw. bewegt, insbesondere Baumineralien (z.B. gebrochener Naturstein, Sand, Kies, Schotter, Kalk-, Gipsstein, Anhydrit, Kreide, Dolomit, Schiefer, Tone), aber auch andere Materialien wie Stahl und Zement. Seit dem Jahre 2000 machen Baumineralien den größten Anteil an der globalen Materialentnahme aus – im Jahre 2009 wurden weltweit etwa 28 Milliarden metrische Tonnen entnommen, etwa 42% der in 2009 insgesamt entnommenen 68 Milliarden Tonnen Materialien (neben Baumineralien noch Biomasse, fossile Energieträger sowie Industriemineralien und Erze) (Krausmann et al., 2009). Gleiches gilt für die europäische Ebene, wo für die EU 27 insgesamt in 2012 etwa 55% – und für die deutliche Mehrheit aller 27 EU Mitgliedstaaten in 2012 mindestens 36% der verwerteten inländischen Entnahme auf nicht metallische Mineralien (ganz überwiegend Baumineralien) entfielen (Eurostat 2014).“ (PolRess AP5, Ecological institute, 2014)

Im gesamten Gebäudebestand in Deutschland (Hoch- und Tiefbau) sind somit ca. 60 Milliarden Tonnen mineralische Rohstoffe gebunden, dazu zählen Baustoffe wie Kalk, Gipsstein, Schiefer, Kies, Sand, Ton, etc. (UBA 2010: Nachhaltiges Bauen und Wohnen. Ein Bedürfnisfeld für die Zukunft gestalten. Mai 2010). Auch wenn bisher ca. 69 % der angefallenen Bauabfallstoffe pro Jahr als recycelt gelten (gesamt ca. 218 Mio. t mineralische Baustoffe pro Jahr) werden diese RC-Materialien zu ca. 66 % im Straßenbau und ca. 24% im Erdbau eingesetzt. Es werden ca. 4,9% der angefallenen mineralischen Bauabfallstoffe aus Bauschutt als Rezyklatzuschalg in Beton verwendet. (ARGE KWTB, 2007)

Bei dieser Weiterverwendung kann nicht von einem Recycling im selben hochwertigen Rang gesprochen werden, sondern es findet ein Downcycling statt.

Der Gebäudebestand in Deutschland ist in den letzten 100 Jahren um ca. das 60-fache gewachsen und die Forderung nach mehr Wohnraum, sowohl politisch, als auch sozioökonomisch, steigt weiter. In dem vorhandenen stark gewachsenen Gebäudebestand herrscht eine permanente Bestanderneuerung, was die Zahlen zu jährlichem Rückbau im Vergleich zu Neubau zeigen (Anhang, Abb.: 3 bis 6). Aktuell steht das Verhältnis zwischen Neubau und Rückbau bei ca. 8:1. Im Zuge des Programms „Stadtumbau Ost“ (2002 – 2009) wurde ein wesentlich größerer Anteil an Wohngebäuden rückgebaut. Absehbar werden viele der Wohngebäude aus dem Bauboom (1950 – 1975) ihre Nutzungsphase beendet haben, daher ist eine Abnahme dieser Materialflüsse in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

(Thema meines Promotionsstudiums an der RWTH-Aachen, Lehrstuhl für rezykliergerechtes Bauen, 2015 - 2018)

„emerging building“ - rezykliergerechte Fassadenkonstruktionen

"Graue Energie - Ökobilanz", "Ressourcen schonen - Recycling", "sozialverträglich und langlebig - Architektur". Dies sind Antworten, die bisher für nachhaltige Gebäude gefunden wurden. Gebäude und speziell ihre Fassaden werden zu immer komplexeren Systemen. Die Anforderungen an Komfort, Funktion und Design steigen. Nicht nur Investoren und Bauherren verlangen nach guten und vor allem funktionalen Fassaden, sondern auch die Benutzer setzten immer höhere Maßstäbe an Komfort in Wohn- und Arbeitsräumen, wie zum Beispiel die Lüftung, den Wärmeschutz oder eine Tageslichtsteuerung. Auch staatliche Auflagen sorgen für einen besseren Umgang mit Ressourcen im Bausektor. Angefangen mit den ersten Wärmeschutzverordnungen nach der Ölkrise bis zur neusten Energieeinsparverordnung (EnEV) und darüber hinausgehenden Entwicklungen des Passivhauses und als neuste Entwicklungsstufe Plusenergiehäuser und Smart-Homes. Gleichzeitig setzten sich als Antwort darauf auf dem Markt ein „green-washing“ mittels Gebäudezertifizierungen durch. Sodass schon wärend der Planung, des Baus und in der Nutzungsphase ein minimaler Aufwand an Energie und damit meist auch finanziellen Mitteln erforderlich sind. Es ist gut und nowendig, dass wir auf unsere Rohstoffe und damit auf unsere Umwelt achten. Je weniger gebundene Energie, in Form von grauer Energie, wir in Gebäudehüllen deponieren oder gar verbrauchen, desto besser. Aber wie können wir die Rohstoffe und Ressourcen, auf die wir bei der Planung und im Bau so achten, auch nach ihrer Nutzungsphase wieder einfach, schnell und ohne Verluste weiter verwenden? Dieser Frage, nach einem rezykliergerechten Gebäude oder speziell der rezykliergerechten Fassade, soll hier nachgegangen werden. Dazu werden erst einmal die Rahmenbedingungen und der Bedarf geklärt. Anschließend werden eine Vielzahl von Fügetechniken auf Dekonstruierbarkeit analysiert. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob diese Techniken dem Standard entsprechen, nicht mehr angewendet werden oder unkonventionell sind. Außerdem werden diese Techniken auch auf Funktionalität bei Verwendung unterschiedlicher Materialien untersucht. Um einen Praxisbezug und ein Gefühl für die aktuelle Situation der Dekonstruierbarkeit von Fassaden zu erlangen, werden fünf moderne Fassaden unterschiedlichen Typus analysiert. In einem weiteren Schritt werden für diese Fassadenkonstruktionen, vier neue und dekonstruierbare Konzepte entwickelt. Im Anschluss daran wird eines dieser Konzepte, mittels eines Entwurfes und der Dokumentation eines Mock-Ups, näher vorgestellt. Abschließend steht die Vision einer zukunftsweisenden, ressourcenschonenden und dekonstruierbaren Fassaden-konstruktionen...

(Thema meiner Masterthesis an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, bei Prof.Dr.-Ing. Ulrich Knaack, 2014)